Wir haben uns von Johannes am Grab mit den folgenden Versen aus dem Gedicht "Die Schritte" verabschiedet
"Klein ist mein Kind dein erster Schritt, Klein wird dein letzter sein. Den ersten geh'n Vater und Mutter mit, den letzten gehst du allein.
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Geh kühnen Schritt, tu tapfren Tritt, Groß ist die Welt und dein. Wir werden mein Kind nach dem letzten Schritt wieder beisammen sein."
Es ist 4.39 Uhr, die Vögel begrüßen den nächsten Tag und ich denke unentwegt an dich, meinen liebsten Bruder. So tief sitzt der Schock. Wie kann das bloß sein, dass du tot bist?
Ich möchte nicht von dir Abschied nehmen. Auch wenn ich das Dokument unter Abschied speichere. Das Wort Abschied gefällt mir so gar nicht. Es hört sich so endgültig an, so nach loslassen. Dazu bin ich nicht bereit! Werde ich das je sein? Möchte ich das je sein?
Ich empfinde es so, dass mir ein Teil entrissen wurde und du zugleich immer ein Teil von mir sein wirst.
Du wirst weiterleben, in mir, in unserer Tochter, auf die du dich so sehr freutest. Du wirst in der Natur weiterleben, im Rauschen des Windes, in den Kronen der Bäume, im Glitzern des Schnees, im Sprudeln der Quelle, im Meer, in den Gipfeln der Berge, in den Strahlen der Sonne, im Abendrot und im Mondschein.
Aber du wirst auch für immer fehlen, der Schmerz und die Sehnsucht wird uns ein Leben lang begleiten. Nie mehr wird unsere Familie komplett sein. Wie gerne hätte ich mehr Zeit mit dir auf der Erde gehabt. Wie gerne würde ich die Uhr zurückdrehen können. Warum nur musstest du uns so früh verlassen?
Wir zwei Geschwister, der große Bruder und die kleine Schwester, zwei sehr unterschiedliche Charaktere. Wir konnten uns schlimm streiten, aber dennoch verband/verbindet uns ein tiefes Gefühl von Zuneigung und Liebe. Ich habe gespürt, dass du sehr stolz auf mich bist/ warst und ich bin auch sehr stolz auf dich!
In allen schwierigen Situationen meines Lebens konnte ich auf dich bauen. Zu jeder Zeit durfte ich dich anrufen, egal ob es um technischen Support oder seelische Unterstützung ging. Du standest mir bei.
Auch die schönsten Momente meines Leben und deines Leben haben wir teilen dürfen. Dazu gehörten u. a. unsere Hochzeiten. Es war für mich so erfüllend und schön dich und Anika so glücklich zu sehen.
Wunderschön ist, dass wir uns seit meiner Schwangerschaft noch einmal näher gekommen sind. Du hast viel Anteil an meiner Schwangerschaft genommen, warst extrem fürsorglich und stolz.
Der letzte Besuch bei dir in Aachen war wunderschön. Du gabst dir viel Mühe, um ein tolles Programm für mich auf die Beine zu stellen. Wir waren ausgiebig in der Natur spazieren, sind durch Aachen gebummelt, waren auf dem Weihnachtsmarkt, haben Flo, Rike und ihre Kinder Kaspar und Rasmus gesehen, waren gemeinsam auf dem Lousberg, haben zusammen gekocht und gespielt. Unser gemeinsames Frühstück war besonders schön, denn ich habe so viel Liebe von deiner Seite gespürt.
Ich bin sehr dankbar und empfinde es als zutiefst tröstlich, wie viele liebe Menschen – Freunde und Verwandte - mit uns den Schmerz teilen, uns mit ihrer Unterstützung und mit ihrer Anteilnahme in dieser unsagbar traurigen Zeit auffangen.
Wie sehr du doch geschätzt, gemocht und geliebt wurdest/wirst!!! Das ist tröstlich.
Auch, dass du friedlich und glücklich eingeschlafen bist.
Ich trage dich, geliebter Bruder, für immer in meinem Herzen. Ich hoffe es geht dir gut und du spürst, wie sehr wir dich lieben!
Jedoch fehlst du mir bereits jetzt so schmerzlich.